Patientinnen und Patienten als Expertinnen und Experten ihrer selbst ernst nehmen
Wahlweise zu jung, zu sportlich, oder zu irgendwas…
Es braucht keine Worte, um vermittelt zu bekommen, dass man simuliert, nichts hat, nicht genug oder zu viel tut, oder ja wohl doch ein psychisches Problem hat und einen Therapeuten braucht. Mimik, Gestik, Verhalten reichen völlig aus. Jemanden ins Leere laufen lassen, Fragen nicht beantworten, sind dabei noch die harmloseren Varianten.
Was aber, wenn noch Anmeckern, Herabwürdigen der eigenen Person, Nicht-Anerkennen von Schmerzen und Einschränkungen, hinzukommen? Wenn Hilfe kategorisch verweigert / unterlassen wird, Machtpositionen ausgenutzt werden, ebenso Abhängigkeiten? Wenn Befindlichkeiten auf dem Rücken von Patienten ausgetragen und therapeutisch notwendige Übungen willkürlich untersagt werden? Eigene Erfahrungen abgetan, Erkenntnisse von Kollegen diskreditiert, oder aber Kollegen bis aufs Messer verteidigt werden, zur Not mit Lügen?
All das nicht nur bei manchen Ärzten, sondern auch bei Physiotherapie und in Reha-Sportvereinen.
Um es vorwegzunehmen: Ich bin allen, die mir geholfen, mich ernst genommen und mich unterstützt haben, sehr dankbar. Sie sind leuchtende Beispiele für eine dem Menschen zugewandte Medizin und zeigen, dass es geht. Erlebt habe ich leider viel zu oft das Gegenteil.
Ein Paradebeispiel dafür ist meine Keuchhustenerkrankung 2009.
Drei Allgemeinmediziner erkannten diese meldepflichtige, hoch ansteckende Krankheit nicht. Eine Lungenärztin stellte etwas „Entzündliches und Behandlungsbedürftiges“ fest, verweigerte mir aber den Folgetermin und ließ mich im Unklaren. Dafür half „Genial daneben“, eine Comedy-Sendung mit Hugo Egon Balder, in der das Wort „Hustenplatte“ zu erraten war. Im Netz fand ich heraus, dass man Keuchhusten auch als Erwachsene bekommen und dies per Bluttest feststellen kann. Mit diesem Wissen ging ich wieder zu einer Ärztin und kurz danach glücklich aus der Praxis. Nach 1,5 Monaten endlich eine Diagnose! Selbst besorgt.
All das, nachdem es nach einer langwierigen Fußerkrankung gerade wieder aufwärts ging. Die Probleme am Fuß waren nicht richtig erkannt und falsch behandelt worden. Was zu vielen dauerhaften Folgebeschwerden führte und mich spätestens damals zur Schmerzpatientin machte.
Niemand hat eine Verbindung zwischen meinen Beschwerden und Erkrankungen seit Kinderzeiten in Betracht gezogen. Als Kind wurde mir gesagt, ich solle mich nicht so anstellen, z.B. bei einem stechend schmerzenden Fuß, der erst nach Wochen und von einem zweiten Arzt als angebrochen diagnostiziert wurde.
Seit 2002 (2. Knie-OP) organisiere ich mir meine Behandlungen sowie meinen Rehasport selbst. Meine guten Behandelnden erkannten das immer an: „Sie machen ja schon alles, was sollen wir Ihnen noch raten…“ und halfen mir dennoch so gut sie konnten.
Im Sommer 2023 las ich online zufällig einen Artikel und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich begann die Dimension zu begreifen, die er für meine Lebensgeschichte hat. Mal wieder begann ICH (!) mich zu informieren. Irgendwann begann ich bitterlich zu weinen, obwohl es auch Tränen der Erleichterung, der Freude waren. Eine Achterbahn der Gefühle – die wohl jede/r kennt, der jahre-, teils jahrzehntelang auf eine richtige Diagnose wartet und so viel Unzumutbares erlebt hat, wie es eigentlich nie passieren dürfte, glaubt man den offiziellen Darstellungen unseres Gesundheitssystems wie auch der Gesellschaft selbst. Ich habe eine Fachärztin gefunden: „Die Diagnose steht.“ Ich habe das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS): erbliche Kollagenstörungen, die durch eine Hypermobilität der Gelenke, eine dermale Hyperelastizität und eine ausgedehnte Gewebebrüchigkeit gekennzeichnet ist. Diese Diagnose erklärt sehr viele meiner weiteren Beschwerden und Einschränkungen. Nach über 50 Jahren. Ich muss das selbst erst noch verdauen…
Ich habe schon immer auch meine Verantwortung gesehen, gesund zu bleiben bzw. zu werden. Ich habe mir sehr viel Wissen selbst beigebracht. Ich sehe mich mittlerweile als Fachfrau für meine Geschichte, Managerin meiner Krankheit(en). Ich würde mir sehr wünschen, dass mit uns Patienten auch so umgegangen wird.