Erfahrungsbericht

 

Helmar D.

Angehörige in Therapieentscheidungen einbinden

 

Am Abend des 16.01.2018 wurde meine Lebensgefährtin durch den Bereitschaftsarzt wegen akuter Herzinsuffizienz in die Klinik eingewiesen.

 

Nach kurzzeitiger Behandlung einer erst im Krankenhaus festgestellten Lungenentzündung wurde sie trotz meiner geäußerten Bedenken in die Neurologie verlegt, weil der Oberarzt meinte, dass sie, wie auch bei ihren drei vorherigen Aufenthalten in der Kardiologie, leicht verwirrt erschien.

 

Der Oberarzt hat es als Vertreter des Chefarztes kategorisch abgelehnt, die Patientin wunschgemäß in die Kardiologie zu verlegen, mit der Aussage, die Behandlung der Herzinsuffizienz und die Ödemausschwemmung könnten in der Neurologie genauso gut wie in der Kardiologie erfolgen, was tatsächlich in keiner Weise der Fall war. Die Behandlung in der Neurologie fokussierte sich auf die leichte Verwirrung und ließ die Herzinsuffizienz und Ödemausschwemmung nahezu unbeachtet.

 

Im Zeitraum von ca. drei Wochen wurden sechs EEGs aufgenommen und obwohl lediglich in einem EEG epilepsietypische Potenziale sicher erkennbar waren, wurde bei meiner Lebensgefährtin, ohne vorherige Anamnese und Aufklärung eine medikamentöse Epilepsietherapie mit zwei Antiepileptika in Höchstdosierung eingeleitet.

 

Unter dem Einfluss der stark sedierenden Wirkung der Antiepileptika und eines zusätzlich verabreichten Neuroleptikums geriet meine Lebensgefährtin in einen besorgniserregenden Zustand: Sie öffnete auch tagsüber kaum noch die Augen, sie konnte sich nicht mehr deutlich artikulieren, ihre Stimme war „verwaschen“ und sie wirkte wie in einem schläfrigen Trancezustand.

 

Auf meine Bitte, nun unbedingt den behandelnden Chefarzt zu sprechen, erschien am selben Nachmittag der Oberarzt, der weder den auffälligen Zustand noch die Tatsache erklären konnte, dass die Ödeme nicht erkennbar ausgeschwemmt waren. Auch in der zwei Tage später stattgefundene Besprechung mit dem Chefarzt wurde ich nicht über die Notwendigkeit einer Epilepsietherapie informiert.

Für die auffälligen Erscheinungen wurde allerdings das Neuroleptikum verantwortlich gemacht, dessen sofortige Absetzung mir zugesagt wurde. Bezüglich der nicht erkennbaren Ödemausschwemmung sollte ein Kardiologe hinzugezogen werden.

 

Zwei Tage später, meinte die in der Nacht diensthabende Ärztin, die Patientin könnte, aufgrund einer Blickwendung und schnaufender Geräusche einen nonkonvulsiven Anfall erlitten haben, und injizierte ihr ein Beruhigungsmittel und eine weitere Dosis eines Antiepileptikums. Dass der Zustand vielleicht von bereits bestehender hoher Dosierung der Medikamente kommen könnte, wurde anscheinend nicht Erwägung gezogen. Am Morgen fand man die Patientin praktisch leblos vor. Unter der Bewusstseinsbeeinträchtigung verschlechterte sich der Allgemeinzustand meiner Lebensgefährtin massiv und sie verstarb. Die festgestellte Todesursache: Exitus letalis bei septischem Schock infolge einer Aspirationspneumonie.

 

Aus meiner Wahrnehmung heraus schreibe ich, dass der Tod sehr wahrscheinlich vermeidbar gewesen wäre, wenn die Patientenrechte und die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften zur Dosierung von Antiepileptikern eingehalten worden wären.

 

Ich bin der Ansicht, hätte eine Zusammenarbeit mit den Angehörigen – zum Beispiel während der Anamnese – stattgefunden, wäre es nicht zu der fehlerhaften Epilepsie-Therapie gekommen, unter der meine Lebensgefährtin verstarb.

 

 

 

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