Fehlende Versorgung von Pflegebedürftigen Menschen
Vier Jahre habe ich meinen Mann J. W. (88 Jahre) gepflegt, davon 1 Jahr Intensivpflege. Zweimal die Woche kam eine Pflegekraft zum Duschen, alles andere habe ich selbst gemacht. Mein Mann hatte Polyneuropathie und ALS – eine teuflische Kombination.
Mitte Oktober 2023 wurde mein Mann morgens mit dem Notarzt in eine Klinik gebracht, weil er starke Unterleibsschmerzen hatte. Dadurch, dass mein Mann kaum Bewegung und 1991 schon einmal einen Darmverschluss hatte, wollten wir vorsorglich handeln.
Zwei Tage nach der Einlieferung wurde mein Mann nachmittags mit einem Krankenwagen zu einem Urologen gefahren, der ihm einen Katheter legte. Ohne mir Bescheid zu geben, obwohl ich ausdrücklich darauf verwiesen hatte, mit mir alles abzusprechen (ich hatte entsprechende Verfügungen meines Mannes vorgelegt). Für mich war das eine vollkommen unnötige Aktion für einen so schwerkranken Menschen. Kurz danach bekam mein Mann eine schwere Lungenentzündung. Er war so schwach, dass er jede weitere Untersuchung (u.a. eine Darmspiegelung) ablehnte – mit meinem Einverständnis.
Jeden Tag war ich mehrere Stunden im Krankenhaus bei meinem Mann, jedes Mal, wenn ich kam, klagte er über Durst. Der Nachttisch war so weit weggerückt, dass er nicht an das Wasser kam. Meinem Mann wurde kein Essen angereicht, obwohl er seine Hände fast nicht mehr bewegen konnte. Ihm wurden keine Zähne geputzt, er wurde nicht gewaschen oder eingecremt, nicht rasiert und er wurde nicht mobilisiert. Vielmehr lag er über zwei Wochen im Bett, vermutlich überwiegend auf dem Rücken, wobei sein Bett oft nass (und das bei einem Menschen mit Lungenentzündung) war, weil die Infusion herausgerutscht war. Ich selbst habe dort erlebt, dass die Klingel benutzt wurde und stundenlang niemand in das entsprechende Zimmer kam, um nachzusehen.
An jedem Tag musste ich wieder nachfragen, wo die Kissen für die Fersen meines Mannes geblieben waren. In dem Bett konnte er nur mit angezogenen Beinen liegen. Auf mein Drängen kam nach zwei Stunden jemand, der am Fußende des Bettes zwei Knöpfe drückte und so das Bett verlängerte. Trotzdem war jeden Tag aufs Neue das Bett wieder eingefahren. Der Reinigungsdienst des Krankenhauses half schließlich, meinen Mann wieder richtig zu lagern und das Bett wiederum zu verlängern.
Die Ärztin der Station wollte mich nach einer Blutabnahme bei meinem Mann über das Ergebnis telefonisch informieren. Dies geschah nicht. Bei einem Treffen auf dem Flur ließ sie mich einfach stehen, ohne mir eine Antwort zu geben.
An einem Abend half ich meinem Mann mit einer Pflegekraft sich zu entleeren. Dabei haben wir voller Entsetzen gesehen, wie wundgelegen mein Mann war. Wieso kann sich der Zustand eines Menschen, der 4 Jahre von mir gut gepflegt wurde, innerhalb von 14 Tagen so verschlechtern. Mein Eindruck von fehlendem Einfühlungsvermögen und Mitgefühl wurde bestärkt.
Der Gipfel war dann, dass man meinen schwerkranken Mann, am 02.11.2023 in eine Kurzzeitpflege brachte – trotz Lungenentzündung und rasselndem Atem.
Einen Tag später wurde mein kranker Mann wieder von der Kurzzeitpflege ins Krankenhaus zurück transportiert. Dort wurde meinem Mann ein Telefon gereicht. „Hallo Ulla“ waren seine letzten Worte an mich. Ich antwortete, dass man mich gerade benachrichtigt habe und ich käme dann gleich ins Krankenhaus. Leider kam ich ein paar Minuten zu spät, nach dem mein Mann gedacht haben muss: „Jetzt reicht es mir!“ – verstarb er.
Dass mein Mann mit einer so schweren Erkrankung (PNP und ALS) vor Monaten schon gesagt hat, dass er sterben möchte (er war 88 Jahre alt) ist verständlich. Aber zwischen dem Wunsch zu sterben oder jemanden im Krankenhaus derart zu vernachlässigen ist ein himmelweiter Unterschied.
Ein Krankenhaus sollte ein sicherer Ort sein, weil sich Patienten in einer Ausnahme- und hilflosen Situation befinden und sich ausgeliefert fühlen.
Ich verlange von der Politik eine Grundsicherung für erkrankte Menschen in Deutschland!